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29. September

Themenabend Rechtspopulismus im COMMUNITYartCENTERmannheim

Die zwei Todsünden der Politik heißen Unsachlichkeit und Verantwortungslosigkeit. So beschreibt es Max Weber im Jahr 1919. Auch wenn diese Aussage fast 100 Jahre zurück liegt, sie bleibt aktuell. Rechtspopulisten nutzen auch heute Vereinfachung und
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29.09.2016

Themenabend Rechtspopulismus im COMMUNITYartCENTERmannheim

Die zwei Todsünden der Politik heißen Unsachlichkeit und Verantwortungslosigkeit. So beschreibt es Max Weber im Jahr 1919. Auch wenn diese Aussage fast 100 Jahre zurück liegt, sie bleibt aktuell. Rechtspopulisten nutzen auch heute Vereinfachung und Halbwahrheiten, um ihre Politik zu betreiben. Im Fokus stehen oft sogenannte schwache Gruppen zum Beispiel Asylsuchende oder Sinti und Roma.
Annette Dorothea Weber im Gespräch mit Dr. Heike Radvan und Daniel Strauß (Foto: CaCm)
Oft platzieren Rechtspopulisten ihre Halbwahrheiten medial wirkungsvoll. Über soziale Netzwerke verbreiten sie sich in Windeseile mit fatalen Auswirkungen. Die Gewalt gegen Geflüchtete nimmt zu. Minderheitenorganisationen werden von staatlicher Seite aufgefordert, ihre Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Gerücht oder Wahrheit und des world wide reading Literaturfestivals lud das COMMUNITYartCENTERmannheim (CaCm) am Donnerstag zu einer Lesung und zum anschließenden Fachgespräch "POPULISMUS – ODER: SIE SIND MITTEN UNTER UNS!" ein.

Mit Reden und Interviewauszügen von Max Weber oder dem UN-Menschenrechtskommissar Zeid Ra’ad Al Hussein und Schriftsteller Robert Menasse deckten die Schauspielerinnen Bettina Franke und Monika Margret Steger prägnant auf, wie sehr Populisten mit den Fragen der Bevölkerung spielen, wie sie sie gerade nicht ernst nehmen, sondern nur vermeintliche Antworten liefern. Wie sich durch sie Besorgnis zu Hass verhärtet. Sie zeigten, wie die Überpräsenz rechtspopulistischer Botschaften in den Medien alldiejenigen in den Hintergrund drängt, die für die Demokratie kämpfen und einen zunehmenden Verlust dieser fürchten.

Das Alarmierende der Texte unterstrich der Musiker Laurent Leroi. Wie die Töne seiner Musik ineinander übergingen, verwiesen sie auch darauf: Die Grenzen zwischen Rechts und Links scheinen zusehends zu verschwimmen. Da gibt es etwa das Konzept des Ethnopluralismus, das vom Namen her so liberal daher kommt, jedoch nicht mehr und nicht weniger ist – wie Monika Margret Steger und Bettina Franke zitierten – als ausgrenzender Nationalismus. Ein gefährliches Konzept, in dem die Grenzen zwischen Kulturalismus und Rassismus verschwimmen.

Präzise ging Annette Dorothea Weber, Regisseurin und künstlerische Leiterin des CaCm im anschließenden Fachgespräch den in der Performance aufgeworfenen Themenaspekten auf dem Hintergrund politikwissenschaftlicher Analysen nach. Im Gespräch mit Dr. Heike Radvan (Amadeu Antonio Stiftung) und Daniel Strauß (Landesverband deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg) wurde deutlich: Die Atmosphäre in der Bevölkerung hat sich wahrnehmbar und für Minderheiten im Alltag real spürbar verschlechtert. Sie werden verstärkt physisch und verbal angegriffen. Das Internet und die sozialen Medien spielen hier eine verstärkende Rolle. Aber nicht nur in rechtspopulistischen Blogs, auch in den Leitmedien finden sich immer öfter ungefiltert rechtspopulistische, rassistische und antiziganistische Aussagen.

Wie können wir mit einer Situation im Alltag umgehen, in der demokratische Einstellungen in der Minderheit sind? Für die Expert*innen bleibt unverändert wichtig, Demokratie mit Leben zu füllen und sich angesichts des zunehmenden Rechtspopulismus immer wieder und offen zu positionieren. Die Zeiten sind härter geworden und wir dürfen gerade deshalb die Deutungshoheit nicht denjenigen überlassen, die die demokratische Kultur im Kern gefährden - so die im abschließenden Zitat des UN-Menschenrechtskommissars deutlich werdende Haltung der Veranstalterinnen: "Wir werden uns nicht von den Einschüchterern einschüchtern lassen, nicht von den Verführern verführen lassen, nie wieder, niemals." (Quelle)

Für die fachliche Auseinandersetzung stellen die Amadeu Antonio Stiftung und der baden-württembergische Landesverband deutscher Sinti und Roma Handreichungen zur Verfügung.

Weitere Informationen zur vierteiligen Veranstaltungsreihe des CaCm HIER.

Fotos: CaCm