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16.07.2017
Musik-Welten der Neckarstadt-West
Die Musiker*innen, die sich am vergangenen Sonntag zum "musikalischen Sommer-Picknick" auf dem Neumarkt in der Mannheimer Neckarstadt-West zusammenfanden, kamen fast allesamt aus dem Stadtteil und doch irgendwie aus der ganzen Welt.
Gegenseitige Wertschätzung: Die Musiker*innen beklatschen sich untereinander. (Foto: Marcel Ziecker)
Acht verschiedene Ensembles, die in Stil und Repertoire nicht unterschiedlicher hätten sein können, bildeten im Kleinen ab, was auch im Großen funktionieren kann: dass das, was auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheint, sich in Wirklichkeit bereichert und dass Anknüpfpunkte dort entstehen können, wo man sie zunächst am wenigsten erwartet.
Zum vierten Mal lud das
COMMUNITYartCENTERmannheim (CaCm) zu den Musik-Welten der Neckarstadt-West ein. Unter der Choreographie von Annette Dorothea Weber und der musikalischen Leitung von Mike Rausch fügten sich die Darstellungen der einzelnen Ensembles und Solokünstler*innen zu einem harmonischen Gesamtkonzert zusammen.
Musik so bunt wie ihr Stadtviertel
Die deutsch-indische Combo “Neckar-Ganga”, zur einer Hälfte in der Neckarstadt, zur anderen in Varanasi, Indien, beheimatet, vereinten in ihrer Musik ihre unterschiedlichen Einflüsse zu einem hybriden Gesamtkunstwerk. Die indischen Tabla und Sitar standen in Dialog mit Saxophon und Kontrabass und ein Rap auf Hindi brachte das Publikum zum Grooven. Girls‘ Power und viel Herz zeigte die Band “Royal Heart” der Marie-Curie-Realschule. Obwohl ganz neu gegründet, gaben die jungen Sängerinnen mit vollen Stimmen ihre Cover-Versionen von Chartbreakern wie “I Am Only Human After All” von Rag'n'Bone Man oder “Crazy” von Gnarls Barkley zum Besten. Ihr Leiter und Mentor Markus Herrmann, oft an den Produktionen des CaCm beteiligt, überzeugte selbst als “Jamolectric” mit sphärischen akustischen Klängen, gemischt mit authentisch gespielter Gitarre und vielfältigen Klang-Manipulationen. Das Cello-Quartett “Cellibration” berührte das Publikum mit stimmigen Medleys von Evergreens der klassischen Musik wie der “Air” von Johann Sebastian Bach und dem “Kanon in D-Dur” von Johann Pachelbel. Auch die Band “A. M. Gaio & U-Free” mit ihren Mitgliedern aus Guinea-Bissau, Kongo und den Antillen ist von einer Vielzahl musikalischer Einflüsse inspiriert und ihr sanfter Reggae-Rhythmus mit traditionellen Elementen portugiesischer und afrikanischer Musik durchsetzt.
Zum ersten Mal mit dabei war der Sänger und Akkordeonist Tobias Escher, dessen mit launiger Stimme vorgebrachtes Repertoire von Rock’n’Roll bis Kletzmer reichte. Französisches Flair verbreitete das Duo "EBENE ET IVROIRE" und erzählte in seinen Chansons mit warmen Stimmen und viel Gefühl von der Liebe und dem Leben. Barbara R. Grabowski, Mezzosopranistin des Duos, begleitete auch den "Gesangverein Gemischter Männerchor 1879 e. V. Oppau", dessen beschwingt-rhythmischer Appell "_open your eyes (…), take a look around you_" die Botschaft der gesamten Veranstaltung auf den Punkt brachte.
Ein musikalisches Vorbild für eine offene Gesellschaft
Diesem Appell mussten die Zuhörer*innen ganz wortwörtlich folgen, wenn nach Ende einer Darbietung plötzlich neue Klänge aus einer entgegengesetzten Ecke der Wiese ertönten. Mit ihrer Musik traten die Künstler*innen in unterschiedlicher Weise, mal diskreter, mal direkter, mit dem Publikum sowie untereinander in Kontakt. Ihre neuen Klangkombinationen führten die Schönheit der Vielfalt vor Augen, aber auch, wie fließend die Übergänge zwischen Fremdem und Vertrautem sind und wie wechselwirksam verschiedene Stimmungen miteinander in Verbindung stehen.
Aber nicht nur das musikalisch-choreographische Werk, die Gesamtheit der Veranstaltung verkörperte, was stets Anliegen des CaCm ist: Hochkultur demokratisieren, sie an Orte zu bringen, die sonst oft von ihr geschmäht werden und sie künstlerisch wie konzeptionell für neue Einflüsse zu öffnen. So saß das Publikum auch nicht auf steifen Konzertstühlen, sondern im Schneidersitz im Rasen. Wo sonst allein ein Hüsteln ungehaltene Blicke der Umsitzenden provoziert, tobten Kinder umher, wurde ein Schwätzchen gehalten und selbst am lauthals begleitenden Hundegebell störte sich niemand. Der Neumarkt war für zwei Stunden ein Abbild im Kleinen eines friedvollen gesellschaftlichen Miteinanders: Individuen und Gruppen kamen und gingen, lernten einander kennen oder auch nicht und ließen sich auf den Reiz des Unbekannten ein.
Zusammen mit der Stadt Mannheim, der Heinrich-Vetter-Stiftung, der BT Spickschen Stiftung und den Open Society Foundations unterstützt die Freudenberg Stiftung das COMMUNITYartCENTERmannheim seit seiner Gründung im Jahr 2012. Musik-Welten wird darüber hinaus durch die BT Spickschen Stiftung unterstützt.