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24. Februar

Ungleiche Teilhabe: Neue Studie von RomnoKher zur Bildungssituation von Sinti*zze und Rom*nja

Die RomnoKher gGmbH hat am 24. Februar 2021 in einer Videokonferenz ihre neue Studie "Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland" vorgestellt. Zehn
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24.02.2021

Ungleiche Teilhabe: Neue Studie von RomnoKher zur Bildungssituation von Sinti*zze und Rom*nja

Die RomnoKher gGmbH hat am 24. Februar 2021 in einer Videokonferenz ihre neue Studie "Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland" vorgestellt. Zehn Jahre nach Veröffentlichung der ersten Bildungsstudie zeigen sich Verbesserungen im schulischen Bereich, aber der Unterschied zur Gesamtbevölkerung ist noch immer eklatant. Als Ursachen wirken Diskriminierung und soziale Lage zusammen.
Ein Verweis auf die angeblich fehlende Datenlage zur Bildungssituation von Sinti*zze und Rom*nja habe der Bundesregierung in der Vergangenheit zu oft als Ausflucht gedient, um auf gezielte Fördermaßnahmen für Angehörige der Minderheit zu verzichten, kritisiert Daniel Strauß, Geschäftsführer von RomnoKher und Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg. Die neue Studie "Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland" stelle daher einen wichtigen Meilenstein dar.

Erfolge im schulischen Bereich, Unterschied zur Mehrheitsbevölkerung weiter groß

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Bildungssituation von Sinti*zze und Rom*nja in den vergangenen zehn Jahren im schulischen Bereich deutlich, aber im Ausbildungsbereich nur leicht verbessert hat und insgesamt die Diskrepanz zur Mehrheitsbevölkerung erheblich bleibt: Zwar fiel der Anteil der Minderheitsangehörigen ohne Schulabschluss von 44 % auf knapp 30 %, gesamtgesellschaftlich liegt er aber bei nur 7 %. Über keinen beruflichen Ausbildungsabschluss verfügen etwa 60 %, hingegen nur 10 % der Menschen ohne und 28 % der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Das Gymnasium hatten gerade 8,8 % der Befragten besucht, ein Hochschul- oder Universitätsstudium nur 4 % absolviert.

Schule ist für Sinti*zze und Rom*nja auch ein Ort, an dem sie häufig mit Diskriminierung und Rassismus in Berührung kommen: 60 % der Befragten berichteten über derartige Erfahrungen. Zu offenen Benachteiligungen oder Gewalt komme die oft geringere Erwartungshaltung von Lehrer*innen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja, die sich ebenso negativ auf den Schulerfolg auswirkt (Prof. Alfred Scherr).

Verfestigte Benachteiligung

Die Ergebnisse der Studie müssen in eine jahrhundertealte "vergiftete Bildungsgeschichte" eingeordnet werden. Antiziganistische Konstruktionen dienten schon im 18. Jahrhundert als Gegenentwurf zu den Idealen der Aufklärung und gipfelten in Verfolgung und Völkermord während der NS-Zeit, setzten sich aber auch im Bildungssystem nach 1945 fort (Dr. Frank Reuter). Die heutige Lage der Minderheit ist Folge einer historisch verfestigten sozialen Benachteiligung, die intergenerational weitergegeben wird "unter den Bedingungen eines Bildungssystems, das es nicht schafft, soziale Gerechtigkeit herzustellen" (Prof. Alfred Scherr).

Die eklatante Bildungsbenachteiligung von Sinti*zze und Rom*nja zeigt sich dabei längst nicht nur in Deutschland, sondern stellt europaweit ein Problem dar. Besonders drastisch ist die Situation neben den Westbalkanstaaten in Rumänien und Griechenland, wo im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Staaten ein hoher Anteil der Sinti*zze und Rom*nja nicht einmal den Pflichtschulbesuch erfüllt (Dr. Christian Brüggemann).

Potenzial der Selbstorganisation

Die Studie zeigt aber auch: Erhalten Angehörige der Minderheit gezielte Unterstützung durch Selbstorganisationen, erlangen sie zu 82 % einen Schulabschluss, ohne eine solche Unterstützung hingegen nur zu 55 %. Pionierin ist hier die Hildegard Lagrenne Stiftung zur Förderung der Bildungschancen von Sinti*zze und Rom*nja, deren Gründung auf die erste RomnoKher-Studie von 2011 zurückgeht. Perspektiven hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit können also in expliziten, aber nicht exklusiven Maßnahmen zum Empowerment von Minderheitsangehörigen, z. B. durch Mediator*innen- und Mentor*innen-Programme und Bildungsfonds, sowie in der Förderung rassismuskritischer Bildung liegen (Alexander Diepold), bedürfen darüber hinaus aber eine umfassende Herangehensweise zur Überwindung der sozioökonomischen Benachteiligungen (Prof. Alfred Scherr).

Für die Studie wurden insgesamt 614 Interviews mit einheimischen und zugewanderten Rom*nja und Sinti*zze aus allen Bundesländern ausgewertet. Da ethnische Minderheiten in Deutschland nicht erfasst werden und somit keine Grundgesamtheit bekannt ist, handelt es sich nicht um eine repräsentative Studie. Alle Interviewer*innen waren selbst Angehörige der Minderheit. Sie stellten jeweils Listen mit 50 Personen zusammen, die ihnen als Rom*nja und Sinti*zze bekannt waren, von denen wiederum 10 Personen für die Befragung per Zufallsgenerator ausgewählt wurden. Gefördert wurde die Studie von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft".

Zur Präsentation der Studie (YouTube) hier
Die Studie "Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland" kann bestellt werden unter info@romnokher.de
Zentrale Ergebnisse der Studie und andere Informationen zu Sinti*zze und Rom*nja beim Mediendienst Integration hier


Die Freudenberg Stiftung ist Förderpartnerin der Bundesarbeitsgemeinschaft RomnoKher. Daneben unterstützt sie viele weitere Selbstorganisationen der Minderheit, darunter die Hildegard Lagrenne Stiftung, RomaniPhen, das Programm der Roma-Schulmediation in Dortmund, Berlin und Tuzla (Bosnien) und unterhält gemeinsam mit der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" einen Fond für Selbstorganisationen im Bildungsbereich. Die Freudenberg Stiftung ist außerdem Mitglied und Förderin des Bündnisses für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas.