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26.11.2021

Kooperation versus Konfrontation: Lokale Strategien gegen Rechts – Engagement- und Demokratieförderung in Kommunen

Ostdeutschland verfügt über eine lebendige und bunte Engagementlandschaft. Unzählige zivilgesellschaftliche Strukturen und engagierte Bürger*innen setzen sich für ein demokratisches Miteinander in Vielfalt ein. Dieses Engagement ist jedoch zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert: Durch wachsenden Einfluss von rechten Parteien auf kommunaler Ebene werden deren Einflussmöglichkeiten auf Verwaltungshandeln deutlich größer. Förderentscheidungen werden hinterfragt oder gestrichen, kleine Anfragen zum zivilgesellschaftlichen Handeln werden gestellt. Im Rahmen des diesjährigen Forums Bürgergesellschaft, organisiert von der Stiftung Bürger für Bürger als digitale Fachtagung am 26.11.2021, wurden anhand von Beispielen sowohl die konkreten Herausforderungen als auch mögliche Strategien diskutiert, um mit diesem wachsenden Druck umzugehen.
Impulsgeber Pascal Begrich, Geschäftsführer bei Miteinander e.V. aus Magdeburg eröffnete den Workshop, indem er die Bedrohungslage auf die Zivilgesellschaft in Ostdeutschland umriss: Er beobachtet eine Normalisierung und Entgrenzung von Rechtsextremismus, die dazu führt, dass sich Grenzen des Sag- und Machbaren weiter verschieben und rechtsextreme Argumentationslinien anschlussfähig an neue Milieus werden. Wenn rechte Parteien beginnen die Diskurse zu bestimmen, dann wird demokratisches Engagement schnell als linksextrem definiert und verliert dadurch an Zustimmung in der Gesellschaft. Die Delegitimationsstrategie rechter Akteure beginnt zu greifen.
Die Corona-Pandemie wirkte dabei wie ein Brandbeschleuniger, da auch die Akzeptanz der gesellschaftlichen Hygieneregeln von Zielgruppen außerhalb der rechtsextremen Szene angezweifelt oder sogar abgelehnt werden.

Insgesamt werden politische Interventionen von rechts durch mehr Menschen gutgeheißen. Die Folge daraus ist ein zunehmender Druck rechter Akteur*innen auf die Zivilgesellschaft: In letzter Instanz stehen die finanziellen Ressourcen sowie die Gemeinnützigkeit demokratischer Vereine in Frage. Denn auf kommunaler Ebene passen sich auch politische Akteur*innen schrittweise dem Druck von rechts an. Die Rückendeckung für Vereine, die sich aktiv für Demokratie einsetzen, geht so nach und nach verloren.

Impulsgeberin Sarah Schröder vom Dorf der Jugend aus Grimma unterstrich diese Bedrohungslage mit eindrucksvollen Beispielen aus ihrer Engagementpraxis. Gegenüber der Stadtbevölkerung aber auch der Stadtverwaltung sieht sich der Verein einem höheren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Personelle Ressourcen, die eigentlich in die inhaltliche Arbeit des Vereins fließen sollen, werden dafür aufgewendet, sich gegen die Angriffe zu verteidigen. Gleichzeitig verunsichern diese Störungen von außen auch die Mitglieder des Vereins, die sich im schlechtesten Fall "dieses Engagement nicht mehr antun".

Als größte Gefahr für das demokratische Engagement wurde im Workshop identifiziert, dass viele Vereine in finanzieller Abhängigkeit von öffentlichen Haushalten stehen. Wenn rechte Akteur*innen in die Lage kommen, über finanzielle Zuteilungen in der Haushaltsplanung zu entscheiden, dann gerät die Arbeit der demokratischen Zivilgesellschaft sehr schnell in Gefahr.

Als Handlungsempfehlungen wurden im Workshop benannt, vor allem auf langfristige, strukturelle Förderungen des Engagements zu setzen und sich dabei auch unabhängiger von staatlichen Zuwendungen zu machen. Darüber hinaus wurde besprochen, dass demokratisch-politische Bildung von Beginn an – in Schule und Engagement – eine Rolle spielen muss, um Resilienzen gegenüber Anfeindungen und Delegitimationsstrategien zu entwickeln.

Ähnliche Befunde entwickelte bereits auch das Zukunftslabor Ost, eine Initiative der Cellex Stiftung und Freudenberg Stiftung zur Stärkung von demokratischem Engagement in Ostdeutschland, die in der Podcast-Reihe "Oh wie Ostdeutschland" zu hören sind.



Die Freudenberg Stiftung engagiert sich seit den frühen 1990er Jahren in Ostdeutschland und hat u. a. die Regionalen Arbeitsstellen (RAA) zur Stärkung von Demokratie und gleichberechtigten Bildungschancen in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin mit aufgebaut. Neben weiteren Projekten ist die Freudenberg Stiftung in Ostdeutschland in der kommunalen Konfliktberatung sowie mit den Programmen Lernen durch Engagement und km2 Bildung aktiv.