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03/11/2016
Wann, wenn nicht jetzt?
"Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir?" mit diesen Fragen eröffnete Dr. Elisabeta Jonuz, Soziologin und Vorstandsmitglied der Hildegard Lagrenne Stiftung, ihren Eingangsinput zur Tagung "Wann, wenn nicht jetzt? Nachholende Gerechtigkeit für Sinti und Roma im Bildungsbereich".
Auf Einladung der RAA Berlin, mit Unterstützung der Freudenberg Stiftung und der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ) kamen Teilnehmende aus Schule, Projektarbeit, Wissenschaft und Politik nach Berlin, um über Möglichkeiten für eine bessere Bildung und bisher Erreichtes zu sprechen.
Skepsis gegenüber dem staatlichen Bildungssystem
Der Genozid an den europäischen Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus habe zur Ermordung der Bildungselite geführt, so führte Dr. Jonuz in ihrem Input weiter aus. Die Verfolgung und Ermordung hat zu einer familiären Traumatisierung geführt.
Die Skepsis von Sinti und Roma gegenüber dem staatlichen Bildungssystem hat daher nichts mit "Tradition" zu tun, sondern gehe auf eben diese Erfahrung und auch heute noch erlebte Diskriminierung in der Schule z.B. zurück. Erneut belegt dies eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung zu Bildungswegen von Frauen aus Sinti- oder Romafamilien im Auftrag der Freudenberg Stiftung und der Hildegard Lagrenne Stiftung.
Erstmals hat der von der Stiftung EVZ gegründete "Bundesweite
Arbeitskreis zur Verbesserung der Bildungsbeteiligung und des Bildungserfolgs von Sinti und Roma in Deutschland" 2013 zu einem gleichberechtigten Dialog eingeladen. Denn klar war: (Nachholende) Gerechtigkeit in der Bildung kann nicht ohne Engagierte aus Schule, Bildungsverwaltung, Politik, Wissenschaft, NGO's und Vertreter*innen der Minderheit selbst gelingen.
Unter dem Titel "Gemeinsam für eine besser Bildung" hat der Arbeitskreis Empfehlungen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland veröffentlicht, die nun in der zweiten Auflage erschienen sind und auf der Tagung in Workshops diskutiert wurden. Eine zentrale Empfehlung: Den Antiziganismus in der Bevölkerung weiter erforschen und Gegenstrategien für eine gleichberechtigte Bildungsteilhabe entwickeln.
Auch Sascha Wenzel, Geschäftsführer der Freudenberg Stiftung, betonte in seinem Grußwort, dass nur Dialog unter gleichwertig Beteiligten Ungleichwertigkeitserfahrungen verhindert, zu denen das übereinander Reden führt. Aus Stiftungsperspektive wäre mehr und vor allem stabilere Experimentierfreudigkeit staatlicher Partner*innen und damit verbunden eine transparente Investition in lokale Selbstorganisationen von Roma und Sinti wünschenswert.