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20/07/2018
I'm Gay I Can't be Racist: Vortrag von Him Noir im COMMUNITYartCENTERmannheim
Der Künstler und Aktivist Isaiah Lopaz alias Him Noir berichtete auf Einladung der Psychologischen Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar PLUS e. V. am 20. Juli 2018 im COMMUNITYartCENTERmannheim in einem englischsprachigen Vortrag über Alltagsrassismen, denen er als Afroamerikaner, der sich mit LGBTQ identifiziert, ausgesetzt ist.
Isaiah Lopaz alias Him Noir beleuchtet strukturelle Rassismen anhand anekdotischer Beispiele. (Foto: CaCm)
Rassismus hat viele Gesichter, zeigte der Vortrag von Isaiah Lopaz, der unter dem Künstlernamen Him Noir in verschiedenen Projekten, Vorträgen und Workshops sowie auf seinem
Blog auf persönlich erlebte Diskriminierungserfahrungen aufmerksam macht und künstlerisch transformiert. Er zeigt sich an Orten, die als besonders "weltoffen" gelten, äußert sich physisch oder verbal oder versteckt sich hinter gut gemeinten "Komplimenten".
"I am a human being…not a thing or an object"
Als Afroamerikaner mit queerer sexueller Orientierung thematisiert Isaiah Lopaz gerade auch die Rassismen, die ihm aus der LGBTQ-Community selbst entgegengebracht werden. Him Noir hat zum einen die Erfahrung gemacht, dass die Kombination, homo- oder bisexuell und gleichzeitig schwarz zu sein, als "unmöglich" betrachtet wird und ihm beispielsweise in Gay-Bars der Eintritt verwehrt wurde, weil "Schwarze nicht schwul sein könnten". In solchen Wahrnehmungen zeigt sich, wie auf normativen Annahmen begründete Wahrheitsregime Menschen ihre Identität absprechen und zu befremdeten Anderen machen. Zum anderen erlebte Lopaz aus der LGBTQ-Community exotisierender Zuschreibungen, die ihn auf seinen sexualisierten Körper reduzierten. Indem er diese spezifischen intersektionalen Rassismuserfahrungen zur Sprache bringt, will Him Noir auch die naive Annahme dekonstruieren, Minderheitsgruppen würden sich grundsätzlich gegenseitig aufgrund der geteilten Benachteiligungserfahrungen Solidarität entgegenbringen.
Seine Migrationserfahrung von den USA nach Deutschland machte Isaiah Lopez besonders vulnerabel – und gleichzeitig besonders wahrnehmungsfähig – für Diskriminierungserfahrungen. Gerade im vermeintlich so weltoffenen Berlin erlebte er sich im Alltag in den unterschiedlichsten Situationen und Milieus als "the black other" stilisiert. Er berichtet, wie er den Gay-Pride-Sticker von seinem Fahrrad ablöste, um an seinem Arbeitsplatz keinen Repressionen ausgesetzt zu sein und das Maß an normativer Abweichung für seine Umgebung nicht zu überspannen. Auch vordergründig schmeichelnde Äußerungen entlarven sich oft als rassistisch – wie die anerkennende Bemerkung, wie "schön" er sei
wegen seiner dunklen Haut, vollen Lippen, krauser Haare. Die Andersartigkeit, mit welchen diese Merkmale belegt werden, ist dabei keine objektive Andersartigkeit, sondern ein Konstrukt bestimmter Gesellschaften, die – wissenschaftlich längst widerlegte – biologistisch-rassistische Zuschreibungen ebenso wie Geschichte, Politik und Religion zur Konstruktion einer weißen Überlegenheitsideologie instrumentalisieren.
"Race trumps gender"
"Race trumps gender", zieht Lopaz Fazit – seine Hautfarbe als sichtbarstes Merkmal wird so zur zentralen Projektionsfläche für multiple Diskriminierungen. Rassismus kann dabei die unterschiedlichsten Formen annehmen – er zeigt sich nicht nur verbal, in Beleidigungen, Stereotypen oder der selbstverständlichen Annahme, er gehöre zum Servicepersonal, nicht zu den Gästen einer wissenschaftlichen Veranstaltung, sondern auch physisch: durch Gewalt beziehungsweise die begründete Angst vor Gewalt oder auch "nur", indem Menschen die Straßenseite wechseln und ihre Handtasche fester an sich drücken. Wie können Menschen in Berlin annehmen, er als Schwarzer wolle ihnen etwas stehlen, fragte Lopez mit bitter-ironischem Humor, wo doch einst auf der Berliner Konferenz die Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten verhandelt wurde? Ein solches Verhalten damit herunterzuspielen, die Betreffenden seien sich ihres rassistischen Verhaltens nicht "bewusst", betrachtet Lopez als komplizenhaftes Tabuisieren verfestigter struktureller Rassismen. Diese zeigen sich auch darin, dass gerade in Deutschland das Publikum bei Veranstaltungen, die Rassismus oder Vielfalt zum Thema haben, ebenso wie relevante Stellen branchenübergreifend überwiegend "weiß" besetzt seien.
"Things You Can Tell Just By Looking At Him"
In seinem aktuellen Projekt
"Things You Can Tell Just By Looking At Him" ist es Him Noir aber besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich bei seinen Erfahrungen um ganz individuelle Erfahrungen mit Rassismus handelt, die andere (queere) Schwarze nicht teilen müssen. In diesem Projekt designte Lopaz eine Serie weißer T-Shirts, bedruckt mit Kommentaren, die ihm in alltäglichen Begegnungen widerfuhren und ihn in seiner individuellen Identität verletzten: "When do you go back?", "Even though you're black you're really beautyful", "I never had sex with a black guy before" oder "It's 2014 – no one cares if you are black, white ore green". Diese T-Shirts aber trägt nur er selbst, um nicht für andere von Rassismus Betroffene zu sprechen und dieselben Mechanismen zu reproduzieren.
Die Wertschätzung von und Offenheit gegenüber vielfältigen Lebensformen und geschlechtlicher Identitäten zu fördern gehört zu den zentralen Zielen der künstlerischen Arbeit des COMMUNITYartCENTERmannheim (CaCm). Hierbei arbeitet das CaCm regelmäßig mit der Psychologischen Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar (PLUS) e. V. zusammen. Zusammen mit der Stadt Mannheim, der Heinrich-Vetter-Stiftung, der BT Spickschen Stiftung und den Open Society Foundations unterstützt die Freudenberg Stiftung das COMMUNITYartCENTERmannheim seit seiner Gründung im Jahr 2012.