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06/05/2019
Re:publica 2019: Das, was bleibt.
Um Erkenntnisse über den Zwischenstand der digitalen Transformation und über Zukunftsvisionen einer liberalen Digitalgesellschaft zu erhalten, nahm die Freudenberg Stiftung an der jährlich stattfindenden Digitalkonferenz Re:publica teil, die größte europäische Konferenz ihrer Art. Vom 06.–08. Mai 2019 deckte sie durch 1000 Sprecher*innen in über 600 Sessions auf 500 Stunden Gesamtprogrammzeit ein breites Spektrum an Themen der digitalen Gesellschaft ab.
Foto: Freudenberg Stiftung
Zwischenstand: Aufräumen im Trollhaus
"Digitalisierung heißt: vernetzt zu sein. Demokratie aber heißt: verbunden zu sein", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Eröffnungsrede zur Re:publica und verdeutlichte damit die derzeitigen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft: Desinformationen, Separation gesellschaftlicher Gruppen und toxisches Verhalten im digitalen Raum. Sascha Lobo, traditionell mit seinem Beitrag am ersten Tag der Re:publica, benannte die allgemein bestehende Ratlosigkeit hinsichtlich dieser Bedrohungen des demokratischen Zusammenlebens als "Realitätsschock" und führte dabei, teils humoristisch, durch persönliche Erfahrungen der vergangenen Jahre. Aber auch Journalist*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen stellten sich der Zustandsbeschreibung. So beschrieb beispielsweise Sigi Maurer, ehemalige Abgeordnete im österreichischen Nationalrat, in ihrer Session " It's the patriarchy, stupid", wie sie sich gegen sexistische, erniedrigende Hassnachrichten wehrte. In ihrem Beitrag zeichnete sie nach, wie sie einen Screenshot der Hassnachrichten inklusive Profil-Namen gepostet hat, wofür sie verklagt und verurteilt wurde. Zudem verdeutlichte sie, wie patriarchalische Muster, Sexismus und Antifeminismus im digitalen Netz sich teils ungehindert verbreiten können. Solche und ähnliche Erlebnisse waren in den Diskussionen und Beiträgen allgegenwärtig. In den Lösungsansätzen waren sich dabei alle Sprecher*innen einig: Es braucht eine starke und aktive Zivilgesellschaft, mehr Aktivismus und weitere Regulierungen im Sinne einer liberalen Gesellschaft. Insofern war das Motto der dreizehnten Re:publica "tl;dr" (Abk. für "too long, didn't read") sowohl Zustandsbeschreibung als auch Bekenntnis zugleich: das Bekenntnis zu Recherche, Auseinandersetzung, Differenzierung und Abwägung, gegen Unwissen, Manipulation und falsche Vereinfachung.
Zukunft: Individuelle Interaktion statt kollektiver Gleichheit
Neben aktuellen Herausforderungen beschäftigte sich die Re:publica 2019 auch mit Visionen des zukünftigen Zusammenlebens. Zentral dabei war die Frage, wie Bildungseinrichtungen Kinder und Jugendliche auf eine teils ungewisse Zukunft der digitalen Gesellschaft vorbereiten können. Um die Einigkeit der Sprecher*innen vorweg zu nehmen: Digitalität in der Schule bedeutet nicht eine Überfrachtung des Unterrichts mit digitalen Medien. Vielmehr verlange Digitalität einen tiefgreifenden Wandel bestehender Strukturen und Prinzipien, insbesondere das Aufbrechen von Singularitäten und einen verstärkten Fokus auf interdisziplinäres Denkvermögen. Damit einher ginge unter anderem eine geänderte Rollenanforderung an die Lehrkräfte, die sich nicht mehr als einziger Hort des Wissens positionieren können, sondern vielmehr interaktiven Raum der Wissensgenerierung durch das Setzen von pädagogischen und didaktischen Zielsetzungen gestalten müssen. Die Schule der digitalen Gesellschaft, so die Sprecher*innen der Re:publica, wird somit ein Ort des interaktiven Lehrens und Lernens, des Experimentierens und einer positiven Fehlerkultur. Digitale Infrastruktur und Medien bilden dabei lediglich die Grundvoraussetzung, um Schüler*innen auf die Anforderungen der Digitalität und des 21. Jahrhunderts vorzubereiten.
Was nehmen wir mit?
Der Besuch der Re:publica hat nochmals verdeutlicht, dass die digitale Transformation unserer Gesellschaft unterschiedliche Konfliktpotenziale eröffnet: So wird der demokratische Grundkonsens im digitalen Raum verstärkt angegriffen, durch Segregation gesellschaftlicher Gruppen geht in machen Teilen die erforderte Verbundenheit verloren und klassische Gate-Keeper Institutionen verlieren an Einfluss, um Desinformation zu verhindern. Dennoch ist die scheinbare Ratlosigkeit gegenüber diesen Entwicklungen nicht als Stillstand zu deuten, sondern vielmehr als Chance, neue Lösungen zu entwickeln. Hier ist insbesondere eine handlungsfähige Zivilgesellschaft gefragt, um einen gesamtgesellschaftlichen Prozess zu gestalten. Der Weg ist noch offen, doch das Ziel steht schon fest: Eine vernetzte Verbundenheit. Die Freudenberg Stiftung möchte diesen Prozess mitgestalten und setzt sich für eine digital-inklusive Gesellschaft ein, die auf demokratischen Grundwerten fußt.
Alle Beiträge der Re:publica sind
hier online abrufbar.