Die Zukunft der Arbeit
In der Web-Ausstellung "Labor: Arbeit 4.0" regt das COMMUNITYartCENTERmannheim (CaCm) seit dem 27. November 2020 mit philosophischen Videoclips zum Nach-, Um- und Weiterdenken über die Zukunft der Arbeitswelt und unsere Gestaltungsmöglichkeiten
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27/11/2020
Die Zukunft der Arbeit
In der Web-Ausstellung "Labor: Arbeit 4.0" regt das COMMUNITYartCENTERmannheim (CaCm) seit dem 27. November 2020 mit philosophischen Videoclips zum Nach-, Um- und Weiterdenken über die Zukunft der Arbeitswelt und unsere Gestaltungsmöglichkeiten dabei an. Was ursprünglich als Theaterstück in Fortsetzung der Serie #stress geplant war, verwandelte das CaCm aufgrund der Corona-Beschränkungen in ein innovatives Webkonzept.
Gibt es eine Alternative zum Wachstum? Ist das "Homeoffice" mit seinem aktuellen Boom in der Corona-Krise ein Segen unserer modernen Arbeitswelt, können wir doch Kinder, Haushalt und Job praktisch gleichzeitig erledigen und so richtig "flexibel" sein? Was macht die Digitalisierung mit unserer Arbeit, unseren Träumen, unserem Selbst und unserem Zusammenleben? Wer gewinnt, wer verliert? Und: Können wir eine andere Richtung einschlagen und wenn ja, was braucht es dazu? Es sind viele und wichtige Fragen, die die Ausstellung "Im Labor: Arbeit 4.0" rund um die Zukunft der Arbeit, die längst begonnen hat, und das Menschenbild, das dahintersteckt, stellt. In den vier virtuellen Zimmern "Factory 68", "Digitale Welt", "Stachel der Arbeit" und "Arbeit Adelt" regen jeweils kurze Videos dazu an, innezuhalten im Hamsterrad und den Blick zu öffnen für neue Utopien und Perspektiven.Ein Kampf um Herrschaftsinteressen und die Zukunft der Demokratie
Nicht nur in der "Paketkopfdiskussion" mit Prominenz aus Wirtschaft und Wissenschaft wird deutlich: Wie sich die Arbeitswelt entwickelt, ist hart umkämpftes Terrain, in dem ganz unterschiedliche Interessen gegeneinanderstehen. "Wachstum steigern, immer etwas Neues erfinden, das vergrößert die ökologischen Gefahren immer mehr", mahnt der in einen Pappkameraden verwandelte Prof. Klaus Dörre, Arbeitssoziologe der Uni Jena. "Glauben Sie bloß nicht, dass Sie den Kapitalismus abschaffen können", entgegnet der fiktive ehemalige Daimler-Chef Dieter Zetsche mit Verweis auf die Autoindustrie und abertausende Arbeitsplätze, die in Deutschland an ihr hängen. "Es kommt nicht nur darauf an, dass wir Arbeit haben, sondern auch wie wir arbeiten", wendet Frithjof Bergmann, Begründer der New Work-Bewegung, ein: Der Druck nach immer mehr Rentabilität, von der keine Branche mehr verschont bleibe, führe auch dazu, dass psychische Erkrankungen unter den Erwerbstätigen massiv zunehmen. Der zum Leben erweckte Adam Smith, auf den die klassische Nationalökonomie zurückgeht, aber ist zufrieden: "Wunderbar, wie ihr das heute macht – man darf einfach alles, Hauptsache, Gewinn machen!"Teilen, Liken, Start-up gründen
Was macht die Digitalisierung mit uns? Waren und Informationen werden in Massen digital gesteuert weltweit in Umlauf gebracht, durch Big Data ist der Menschen selbst längst zur begehrtesten Ware geworden. Digitalisierung macht alles möglich, flexibler, schneller, neuer. 3-D-Drucker werden die Bäckerin bald ersetzen, überflüssig werden auch der Sparkassenangestellte und die Sekretärin, wie viele andere Berufe. Herold, Hutmacher*innen und Kartenmaler*innen sind wir längst nicht mehr. Vielleicht aber bald Robotik-Ingenieur*innen, Crowed-Worker*innen oder Influencer*innen. Und doch darf nicht vergessen werden, dass Digitalisierung auch das Potenzial hat, sinnvolle Veränderungen der Arbeitswelt in die Wege zu leiten, die sie nicht entmenschlichen, sondern humaner machen.Die Gefahr ist aber groß, dass die Digitalisierung die ohnehin klaffende Schere zwischen Arm und Reich noch weiter wachsen lässt. Aktuell besitzt ein Prozent der Haushalte in Deutschland über 30 Prozent des gesamten Vermögens. Machtvolle Netzwerke haben sich um den Geldadel gebildet, darunter die Atlas-Initiative, die nichts geringeres als den Sturz der Demokratie anstrebt, gegründet vom ehemaligen CDU-Mitglied Markus Krall und ermöglicht durch den Reichtum der Industriellen-Familie von Finck. Arbeit hat aber längst nicht nur mit Geld zu tun, sondern vor allem mit Würde, führt die Ausstellung vor Augen: "Arbeitslosigkeit ist ein Gewaltakt, ein Anschlag auf die körperliche und seelisch-geistige Integrität der davon betroffenen Menschen." Nichts tun zu wollen, sei so einfach, wirklich nichts zu tun aber sehr schwer, denn "der Müßiggang ist unser Feind als Freund verkleidet". Würde und Arbeit wieder stärker zusammenzudenken, und auch Tätigkeiten, die eine "resultatlose Zeitdehnung" beanspruchen, wie "Totengedenken, Trauern, Weinen, Schweigen, Sterben" - von Salomo einst als Menschenrechte verstanden - Raum zu geben, wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer Humanisierung der Gesellschaft.Neue Erzählungen für eine andere Arbeitswelt
Inspiration für eine Arbeitswelt jenseits des Neoliberalismus könnte uns der japanische Matsutake-Pilz sein. Er schafft es, auch an Orten größter menschengemacher Zerstörung mit anderen Lebewesen zu koexistieren und nicht nur selbst zu überleben, sondern auch anderen das Überleben zu ermöglichen. Ein Bild, um unsere "in der Einbahnstraße Wachstum" festsitzende utopische Vorstellungskraft anzuregen. Denn ohne ein starkes neues Narrativ werden wir diese nicht verlassen können. Ein solches müsste ein breites Spektrum von Menschen und deren tiefen Bedürfnisse ansprechen, politische Grenzen überwinden und gleichzeitig in der Realität verankert sein. Es könnte zu einer Wirtschaft führen, die sowohl den Menschen als auch den Planeten respektiert und das Gemeinwohl zum zentralen Bezugspunkt hat. Diese Utopie kann gelingen, denn der Mensch ist – anders als meist proklamiert – mitnichten ein vor allem ein egoistisches, auf Gewinnmaximierung angelegtes Wesen, sondern hat - vielfach belegt - die "massive Fähigkeit" zum Altruismus und zur Kooperation.Basierend auf den philosophischen Texten von Oskar Negt, Hannah Ahrendt, Ernst Bloch und anderen bringt "Labor: Arbeit 4.0" große Fragen mit Tiefgang in kurzem Format auf den Punkt - und gibt ein Beispiel dafür, wie nicht nur die digitalen Kanäle visionär genutzt werden können, sondern auch die Corona-Krise als Momentum, um Gesellschaft nochmals neu zu denken.Zusammen mit der Stadt Mannheim, der Heinrich-Vetter-Stiftung, der BT Spickschen Stiftung und den Open Society Foundations unterstützt die Freudenberg Stiftung das COMMUNITYartCENTERmannheim.