Rom*nja und Wohnungslosigkeit in Dortmund: Neue Studie
Rom*nja machen eine wesentliche Gruppe der Wohnungslosen in Dortmund aus, werden aber von Hilfsangeboten nur bedingt erreicht. Tim Sonnenberg (FH Dortmund) hat in einem Forschungsprojekt die Lebenslagen von wohnungslosen Rom*nja genauer in den Blick
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08/03/2021
Rom*nja und Wohnungslosigkeit in Dortmund: Neue Studie
Rom*nja machen eine wesentliche Gruppe der Wohnungslosen in Dortmund aus, werden aber von Hilfsangeboten nur bedingt erreicht. Tim Sonnenberg (FH Dortmund) hat in einem Forschungsprojekt die Lebenslagen von wohnungslosen Rom*nja genauer in den Blick genommen und zeigt: Das Phänomen ist heterogen, führt aber in vielen Fällen zu einem Abgleiten in illegale Alternativstrukturen und darüber zu verfestigter Prekarität. Für die Studie wurden problemzentrierte Interviews mit 14 Personen in Dortmund durchgeführt.
Viele Rom*nja aus Bulgarien oder Rumänien kommen in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen, oft vor allem auf bessere Bildungschancen für ihre Kinder, nach Deutschland. Formell können sie sich zwar durch das EU-Freizügigkeitsgesetz in Deutschland aufhalten und arbeiten, de facto aber erlangen sie zu diesen Systemen häufig keinen Zugang, zeigt Tim Sonnenberg in seiner Untersuchung. Er betont gleichzeitig die Heterogenität der Minderheit, zu der auch viele Bildungsaufsteiger*innen gehören.Viele der von Wohnungslosigkeit betroffenen Rom*nja finden durch eine fehlende Schul- und Berufsausbildung, aber auch aufgrund von Diskriminierung, keine Arbeit, werden dadurch nicht in das Sozialsystem aufgenommen und haben keinen Anspruch auf Leistungen wie Grundsicherung und Krankenversicherung. In dieser Situation werden sie häufig jedoch nicht von Unterstützungsangeboten der Sozialen Arbeit aufgefangen, sondern gleiten – oft durch aufsuchende Vermittlung – in illegale oder halblegale Strukturen ab. Sie mieten Wohnraum zu horrenden Preisen in maroden "Problemhäusern" an oder arbeiten in Schattenwirtschaften wie Prostitution und als Tagelöhner*innen. Es entsteht ein Teufelskreis, da der Wohnsitz oder informelle Beschäftigungsverhältnisse z. B. bei einem Einbürgerungsversuch oder der Beanspruchung von Sozialleistungen nicht anerkannt werden. Die illegalen Strukturen sichern auf diese Weise zwar eine prekäre Existenz, verfestigen aber genau diese Lebensverhältnisse auch immer weiter. Während also "klassische" Wohnungslosigkeit typischerweise dadurch entsteht, dass Menschen aus dem System herausfallen, resultiert sie bei Rom*nja zumeist daraus, dass sie zu diesem erst gar keinen Zugang erhalten und auch von Hilfsstrukturen weitgehend ausgeschlossen sind. Zwar nehmen die betroffenen Rom*nja niedrigschwellige Unterstützungsleistungen wie Essensausgaben durchaus an, von Beratungsangeboten werden sie jedoch häufig nicht erreicht und als Zielgruppe insgesamt nicht ausreichend in den Blick genommen.Auch wenn die Soziale Arbeit strukturelle Grenzen hat und Gesetze oder Ressentiments der Mehrheitsgesellschaft nicht unmittelbar verändern kann, empfiehlt die Studie, dass gerade das Potenzial von niedrigschwelligen und empowernden Peer-to-Peer-Ansätzen noch stärker genutzt werden sollte, um Rom*nja Alternativen zu solchen Problemkreisläufen zu ermöglichen.Die Freudenberg Stiftung förderte die Studie im Rahmen des gemeinsam mit der Stadt Dortmund und dem Land NRW verfolgten Projekts "Roma als Bildungsmediator*innen für neuzugewanderte und bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche aus Süd-Ost-Europa in Dortmund". Die Ergebnisse der Studie werden in Kürze im Springer VS veröffentlicht.