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20 August

Klarheit für die Zivilgesellschaft – Gutachten zum "Neutralitätsgebot"

Politische Bildung ist nicht neutral – sie darf und muss für die Werte der Verfassung einstehen. Ein verfassungsrechtliches Rechtsgutachten schafft Klarheit, was das
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20/08/2024

Klarheit für die Zivilgesellschaft – Gutachten zum "Neutralitätsgebot"

Politische Bildung ist nicht neutral – sie darf und muss für die Werte der Verfassung einstehen. Ein verfassungsrechtliches Rechtsgutachten schafft Klarheit, was das sogenannte „Neutralitätsgebot“ in der Demokratie- und Jugendarbeit bedeutet, und bietet einen wichtigen Handlungsrahmen. Vorgestellt wurde es am 14. August bei einer Pressekonferenz in Dresden.
photo: Amadeu Antonio Stiftung
Zivilgesellschaftliche Vereine engagieren sich in ihrer politischen Bildungsarbeit für die Werte der Verfassung, bekommen dafür aber immer öfter Gegenwind – oft unter dem Vorwurf, gegen das "Neutralitätsgebot" zu verstoßen. Um zu prüfen, was dieses für die Jugend- und Demokratiearbeit tatsächlich bedeutet, hat die Cellex Stiftung ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Verfasst wurde das Gutachten vom Staats- und Verwaltungsjuristen Prof. Dr. Friedhelm Hufen; die Freudenberg Stiftung, die Amadeu Antonio Stiftung und die Schöpflin Stiftung unterstützten das Vorhaben.

Mit großer Klarheit kommt das Gutachten zu folgenden Ergebnissen: Demokratiearbeit und politische Bildung sind in diesem Sinne nie "neutral", sondern haben die Sicherung der Verfassungswerte zum Ziel. Es ist die Aufgabe politischer Bildung, sich unter anderem gegen Sexismus, Rassismus, Homophobie, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Europafeindlichkeit zu stellen. Die Demokratie muss sich gegen extremistische Bestrebungen verteidigen, das verlangt das Prinzip der streitbaren Demokratie. Es ist daher auch zulässig, wenn zivilgesellschaftliche Vereine vor Gefahren durch rechtsextreme Parteien warnen, auch wenn sie staatliche Fördermittel erhalten.

Dem Gutachten vorausgegangen war 2023 ein Sonderbericht des Sächsischen Rechnungshofs, der hohe Wellen geschlagen hatte. Der Sächsische Gerichtshof bemängelt darin, dass in der Förderpraxis des Sächsischen Sozialministeriums eine zu große (partei)politische Nähe zwischen Ministerium und Zuwendungsempfängern der politischen Bildung besteht, die dem "Neutralitätsgebot" entgegenstünde. Die Grenzen zwischen politischer Bildung und politi-scher Betätigung seien überschritten, die Förderung von politischen Aktivitäten auszuschließen. Zivilgesellschaftliche Organisationen fürchten, dass diese Kritik des Rechnungshofs in weitreichende Einschnitte für die Demokratie- und Jugendarbeit in Sachsen münden wird.

Im Gutachten kritisiert Prof. Dr. Hufen, dass der Rechnungshof mit seinen Ausführungen zum "Neutralitätsgebot" seine Kompetenzen deutlich überschritten hat: Denn dieser ist nur dafür zuständig, die Prüfung der bestimmungsgemäßen und wirtschaftlichen Verwendung der Haushaltsmittel vorzunehmen.
Auch die inhaltliche Argumentation des Rechnungshofs wird als höchst einseitig bewertet. Der Begriff Neutralität, den das Grundgesetz gar nicht kennt, wird vom Rechnungshof viel zu eng ausgelegt, das Prinzip der streitbaren Demokratie außer Acht gelassen. Zwar gibt es Urteile, die sich auf das "Neutralitätsgebot" beziehen. Es geht dabei aber vielmehr um eine Achtung des chancengleichen Wettbewerbs von Parteien, nicht um den Ausschluss politischer Arbeit. Staatlich geförderte zivilgesellschaftliche Vereinigungen sind laut dem Rechtsgutachten als eigenständig zu sehen und daher nicht im gleichen Maße an ein "Neutralitätsgebot" gebunden wie der Staat selbst. Zentral ist jedoch vor allem: Eine sachliche Auseinandersetzung mit verfassungswidrigen Positionen ist immer zulässig, solange sie auf sorgfältig recherchierten Tatsachen beruht und keine Schmähkritik, Beleidigungen oder ähnliches enthält, so das Gutachten.

Das Gutachten zieht erstmals eine genaue Linie, wozu das sogenannte "Neutralitätsgebot" die Empfänger von Fördermitteln verpflichtet und wozu nicht. Es sendet ein klares Signal an die Zivilgesellschaft: Gerade dann, wenn von Programmen politischer Parteien Gefahren für die Menschenwürde und Demokratie ausgehen, muss Demokratie- und Bildungsarbeit diese abwehren. "Die Ausführungen werden über Sachsen hinaus Wirkung entfalten und der Rechtsposition von Vereinen und Stiftungen in Deutschland Rückhalt geben", so Dr. Eva Sturm, Geschäftsführerin der Cellex Stiftung.

Hier geht es zum Gutachten, hier zur Presseinformation.

Das Gutachten wurde im Auftrag der Cellex Stiftung erstellt. Die Freudenberg Stiftung hat die Erstellung des Gutachtens gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung und der Schöpflin Stiftung unterstützt. Die Förderung demokratischer Kultur ist einer der Schwerpunkte der Freudenberg Stiftung. Sie unterstützt die sächsische Zivilgesellschaft unter anderem durch die Förderung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie und die Gemeinschaftsinitiative "Zukunftswege Ost".