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05 April

Kunst & Demokratie e.V. veranstaltet "Friedensgespräche" in Worms

Am 4. April 2024 lud der Verein Kunst & Demokratie gemeinsam mit der Stadt Worms und mit der Unterstützung des Bundesprogramms "Demokratie leben!" zu den "Friedensgesprächen" nach Worms ein.
Anlass für die Aktion "Friedensgespräche" war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im März 2022 hatte der ...read more
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05/04/2024

Kunst & Demokratie e.V. veranstaltet "Friedensgespräche" in Worms

Am 4. April 2024 lud der Verein Kunst & Demokratie gemeinsam mit der Stadt Worms und mit der Unterstützung des Bundesprogramms "Demokratie leben!" zu den "Friedensgesprächen" nach Worms ein.
Anlass für die Aktion "Friedensgespräche" war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im März 2022 hatte der Verein erstmals zu einer interaktiven Kunstperformance auf dem Gelände eines ehemaligen US-amerikanischen Atomwaffenlagers in der Pfalz eingeladen. Knapp zwei Jahre später stand jetzt der Konflikt in Israel und Gaza im Fokus. Das Motiv der Einladung war und bleibt, einen Raum zu bieten, nicht innerlich hart zu werden und im Austausch miteinander zu bleiben angesichts der Gewalt. Es soll ein Moment der Begegnung geschaffen werden, um diesen krisenverdichteten Zeiten gemeinsam mit Hoffnung zu begegnen. Mittlerweile haben sich die "Friedensgespräche" zu einem zweiteiligen Format weiterentwickelt: Eine künstlerische Performance und Gespräche mit Vorbeikommenden an einem öffentlichen Kriegsdenkmal im ersten Teil und eine Lesung verbunden mit einen Debattenspiel im zweiten Teil.

Teil I: Gespräche & Performance im öffentlichen Raum

Im ersten Teil schuf eine Gruppe Künstler*innen einen musikalisch-poetischen Moment am 118er Denkmal in Worms. Ein Kriegerdenkmal in Erinnerung an ein Infanterie-Regiment und dessen Feldformationen im Ersten Weltkrieg. Tänzerin Georgia Begbie und Musiker Peter Hinz verwandeln die steinerne Kriegsskulptur und den Vorplatz in eine Bühne – ein Spiel aus Nähe und Distanz, Harmonie und Disharmonie. Die Künstler*innen illig & illig wandeln als obskure, weiße Figuren durch die Szenerie - vielleicht ein Sinnbild der menschlichen Zerrissenheit, vielleicht ein Gefühl von Hoffnung, das so unvermittelt erscheint und wieder verschwindet wie die Figuren.

Vorbeikommende und Eingeladene setzen sich derweilen zu Annette Dorothea Weber an den Tisch, um mit ihr über ihre Gefühle angesichts des Krieges zu sprechen. Zeichnungen der Künstlerin dienen als Gesprächsanlass. Zu sehen sind darauf kleine Figuren, die den Betrachtenden eine Botschaft mitgeben, wie beispielsweise den Appell "Sag mir was!".

Kaum ein Zögern, viele setzen sich zu ihr. "Welches Bild spricht Sie an?", fragt Annette Dorothea Weber ihre Gesprächspartner*innen. Eine wählt die Aussage "Angst isst die Seele auf". Angst mache so hilflos und auch mache sie stumm, gerade jetzt, wenn man Rückgrat zeigen müsse. Ein anderer Gesprächspartner erzählt, wie sehr ihn dieser Krieg bedrücke. Schlimm findet er, dass einem sehr schnell Antisemitismus vorgeworfen wird, wenn man Mitgefühl mit palästinensischen Kindern zeige. "Mich hat das schon richtig verzweifelt gemacht", sagt er. Vor Jahren war er mit der Aktion Sühnezeichen in Polen und hat dort einen KZ-Überlebenden getroffen. Der habe ihn umarmt und gesagt: "Das Wichtigste ist, ein Mensch zu bleiben."
Die meisten der Gesprächspartner*innen kommen auch am Abend und wollen zuhören und weiterreden, vielleicht um wieder hoffen zu lernen.

Teil II: Lesung & Debattenspiel

Am Abend geht es weiter mit dem zweiten Teil der Veranstaltung in Worms. Die Stadt stellt einen Coworking Space zur Verfügung. Die beiden Künstler*innen Annette Dorothea Weber und Mathias Wendel lesen zu Beginn widerstreitende journalistische und poetische Texte und schaffen so die Grundlage für das spielerische Debattenformat, in dem unterschiedliche Positionen hörbar, sichtbar und (be-)greifbar gemacht werden sollen.

Im Debattenspiel positionieren sich die Teilnehmenden auf zugespitzte Fragen oder Aussagen der Moderatorinnen hin auf einem Spielfeld, indem sie sich aufeinander zu- oder wegbewegen. Das Spielfeld ist aufteilt in die Antwortmöglichkeiten "Ja", "Nein" und eine "Hoffnungsinsel".

Und hier beginnt das Dilemma. "Die Hamas muss sofort bedingungslos alle Geiseln frei lassen und alle Angriffe stoppen. Ja, nein?" Ein aus Israel stammender Mitspieler zeigt seine Wut über die Frage. Für ihn ist das Projekt Israel, das aus dem Holocaust resultierte, gescheitert. Im Laufe des Spiels stellt er die Rolle der deutschen Rüstungsexporte für das israelische Militär heraus und pocht auf den dringend notwenigen Waffenstillstand. Er sieht Israel aktuell als Staat, der dabei ist, sich selbst zu zerstören. Er fragt sich, angenommen immer mehr Menschen müssten aus Israel fliehen, welche Rolle Deutschland als Aufnahmeland dann spielen würde.
Seine Einladung zum Hoffen als politischer Mensch und als Betroffener, der Familie und Freunde in Israel hat, bleibt aber gleichermaßen in Erinnerung und berührt.

"Ich habe keine Hoffnung mehr. Weder in dem Thema noch in den Menschen. Ich sehe für mich keine Hoffnung, wie das gut ausgehen soll", sagt einer, der sich seit zwei Jahrzehnten engagiert und stets versucht hat, die Menschen zu verbinden. Das Publikum kann sich in seiner Erschütterung spiegeln. Er kann der Einladung seines Mitspielers nicht folgen: "Hoffnung muss aus Dir erwachsen", sagt er nachdenklich.

Eine palästinensische Mitspielerin zeigt das ganze Ausmaß ihrer Verzweiflung darüber, dass in Gaza Hilfsgüter unerreichbar gestapelt liegen, während Menschen wenige hundert Meter davon entfernt verhungern. Für einen Mitspieler ist es besonders wichtig, dass an diesem Abend sehr unterschiedliche jüdische Positionen sichtbar geworden sind. Es gibt aber auch Mitspieler, die an der Hoffnung festhalten und auf die universelle und unverhandelbare Gültigkeit der Menschenwürde pochen. "Der Konflikt ist nicht mit Gewalt lösbar."

An diesem Abend geht es auch darum, Positionen auszuhalten mit der ganzen Bandbreite sehr unterschiedlicher Betroffenheiten. Auch den Schmerz und die Trauer jener, die Familie und Freund*innen in Israel und Gaza haben.
Für das Publikum geht es im besten Fall um kathartische Momente durch den stellvertretenden Ausdruck von Emotionen und Positionen, die auf dem Spielfeld gehalten werden. Ein Mitspieler schreibt im Nachgang: Die Zuschauer*innen sind nicht in Harmonie oder Nähe auseinandergegangen, sondern die ganzen Dilemmata in diesem Konflikt waren im Raum und wurden gemeinsam ausgehalten. Der Austausch mit den Teilnehmenden ging nach der Veranstaltung noch immer weiter. Und das ist gut so.

Die zweiteilige Veranstaltung in Worms wurde unterstützt vom Bundesprogramm Demokratie leben! und fand in Kooperation mit der Stadt Woms statt.

Weitere Informationen zum Verein Kunst & Demokratie finden Sie hier

Die Freudenberg Stiftung unterstützt Projekte des Vereins Kunst & Demokratie.