Journal
2025 ... 2024 ... 2023 ... 2022 ... 2021 ... 2020 ... 2019 ... 2018 ... 2017
×
23/05/2025

ARTISTS HIGHLIGHTING THE WATER CRISIS – Veranstaltungsreihe des Vereins für Kunst und Demokratie vom 23. bis 25. Mai in Mannheim

Versiegende Stauseen und über dem Wasser wiederauftauchende Häuserruinen in Spanien, vergiftetes Trinkwasser und veralgte Seen durch großflächigen Haselnussanbau in Italien oder plötzliches Hochwasser und Überschwemmungen in Deutschland: Drei Tage lang zeigten Künstler*innen die Ergebnisse ihrer künstlerischen Forschungs- und Transformationsprozesse zu Phänomenen der Wasserkrise in Europa.
Die Diakoniekirche Luther in Mannheims Neckarstadt-West, die an den übrigen Tagen Anlaufstelle für Menschen in Not ist, öffnete ihre Pforten für die Ausstellung mit Videos, Audios, Live-Musik, einer Lesung, Visual Arts, künstlerischen Installationen und einer Diskussionsrunde mit Expert*innen.

Wohin aber gehen wir
ohne sorge sei ohne sorge
wenn es dunkel und wenn es kalt wird
sei ohne Sorge
aber
mit musik
was sollen wir tun
heiter und mit musik
und denken
heiter
angesichts eines endes
mit musik
und wohin tragen wir
am besten
unsre fragen und den schauer aller jahre
in die traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge
was aber geschieht
am besten
wenn totenstille
eintritt

23. Mai 2025

Zum Ausstellungsbeginn am 23. Mai 2025 ist dieses Gedicht von Ingeborg Bachmann im Eingangsbereich der Kirche, chorisch auf Deutsch, Hebräisch und Englisch eingesprochen, zu hören. Im Vorraum, sonst als offenes Café genutzt, lesen zwei Künstlerinnen journalistische und poetische Texte und führen hinein in die Untiefen der Wasserkrise, ausgelöst durch (agrar)industrielle Übernutzung und Verschmutzung, Dürreperioden oder die Privatisierung der vormals öffentlichen Wasserversorgung.

Die Kirche wird zur Bühne für eine Videoshow: An drei im Kirchenraum verteilten Bildschirmen werden künstlerische Performances in poetischer Weise gezeigt, in denen immer wieder weiße Figuren in unterschiedlichen Bezügen gehen. Es folgen weitere Kurzvideos zu den künstlerisch erforschten Regionen am wasserarmen katalonischen Stausee Pantà de Sau, am gekippten Lago di Vico nahe der italienischen Stadt Tuscania und am industriell genutzten Rhein und Neckar in Mannheim, teils mit Live-Musik. Die filmischen Sequenzen sind ein Wechselspiel inszenierter Gruppenperformances an den untersuchten Orten, Tanzimprovisationen und dokumentarischen Aufnahmen. Gerade bei den Szenen mit der Tänzerin in einem verlassenen Industrieareal oder in einem leeren Wassertank wird die Besonderheit der Kameraführung deutlich, die mit ihren Aufnahmen nicht nur den Bewegungen folgt, sondern diese mit hervorruft.

Höhepunkt ist eine ungeschnittene Filmaufnahme auf drei unterschiedlichen Bildschirmen mit bewegter Kamera in, an und auf dem verwitterten Wassertank, den einer der Musiker zu einem überdimensionalen Cuppaphone umgebaut hat, auf dem ein Percussionist mit dem ganzen Körper trommelt und die Tänzerin das Innere mit ihren Bewegungen auslotet. Was aber geschieht nach dem letzten Trommelschlag? Können wir ohne Sorge sein? Beim Hinausgehen schauen sich die begeisterten Besucher*innen noch die visuellen Installationen an: eine Projektion von bewegtem Wasser auf den Altar, tropfende Wasserkanülen, die auf heißen Herdplatten rhythmische Töne erzeugen oder Videoprojektionen in Gläsern oder unter Glasplatten inmitten einer Umgebung aus Sand und Schwemmhölzern. Die Bedrohung unserer Lebensgrundlage Wasser ist schmerzhaft schön fühlbar geworden.
Von und mit Annette Dorothea Weber, Michele Ciccimarra, Georgia Begbie, Peter Hinz, Antonio Pipolo und Coral Soffer

24. Mai 2025

Am zweiten Tag, dem 24. Mai 2025, entführt das Konzert in die Klangwelt des Wassers. Der musikalische Dialog beginnt mit einem Loop aus Klängen, die durch aufgewirbeltes Wasser in einer Schüssel erzeugt werden. Am Cupaphon, das die Schwingungen des Wassers nutzt, entsteht ein breites Spektrum an Rhythmen und Tönen; zwischenzeitlich wird der Musiker selbst zum Klang- und Bewegungskörper, nicht nur bei seinem Schlusslied. Das Verrophon versetzt mit Wasser gefüllte Glasröhren in Schwingung, während elektronische Töne eine Verbindung untereinander erzeugen.

In der nachfolgenden Diskussion zeichnet die Initiatorin des Projekts "Artists highlighting the water crisis" die Spuren nach, wie sie als Künstlerin durch die Recherche für den künstlerischen Dokumentarfilm "Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen" in der Lausitzer Kohleregion auf das Thema der Wasserkrise gestoßen ist. Auf Ewigkeit muss dort in den Kohlenachfolgelandschaften das Wasser abgepumpt werden, das auch für die Versorgung Berliner Haushalte genutzt wird. Im Zuge ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem europaweiten Thema der "Energiewende" zeigte sich, wie zentral auch hierfür der Umgang mit der Lebensgrundlage Wasser ist, sei es die Gefährdung der Wasserversorgung in der Region Valencia durch geplante Plantagen von Sonnenkollektoren, die mit umweltschädlichen Reinigungsmitteln und Wasser sauber gehalten werden müssten, oder durch die Bedrohung der Trinkwasserversorgung durch eine geplante Lithiummine im serbischen Jardartal. Sie will mit ihrer Kunst darauf aufmerksam machen und Menschen emotional erreichen.

Ein Waldwissenschaftler und Hochschuldozent, den die Künstler*innengruppe bei ihrer Recherche in Italien kennengelernt hat, zeigt auf, wie durch die Monokulturen von Haselnussanbau des italienischen Ferrero-Konzerns der See "Lago di Vico" auf ewig gekippt ist. Die Düngemittel bedingen die invasive Ausbreitung von Rotalgen, die alles Leben ersticken. Als größte Herausforderung sieht er eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln. Eine wirkliche Veränderung sei nur in kleinen Schritten erreichbar und müsse die komplexen Wechselwirkungen von Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft miteinbeziehen, so seine Botschaft. Ihm geht es um Bewusstseinsveränderung durch Aufklärung. Wer schnelle und einfache Lösungen verspricht, sagt nicht die Wahrheit.

Eine Protagonistin im Langfilm "High Noon" engagiert sich als Expertin in Agroökologie für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung, insbesondere der Frauen. Sie berichtet vom Widerstand gegen den geplanten Bau einer riesigen Lithium-Mine im serbischen Jardartal, die für die Menschen vor Ort mit Umsiedlung, Heimatverlust sowie der Vergiftung ihres Bodens und Trinkwassers verbunden wäre. Mut machen ihre Berichte von den Protesten gegen die korrupte Regierung in Serbien, die mit Unterstützung der EU-Kommission den Lithium-Deal mit dem berüchtigten Konzern Rio Tinto forciert hat.
Künstler*innen: Annette Dorothea Weber, Michele Ciccimarra, Georgia Begbie, Peter Hinz, Antonio Pipolo und Coral Soffer
Expert*innen: Marco Senfett, Annette Dorothea Weber und Aleksandra Velimanović

25. Mai 2025

Die Veranstaltungsreihe endet am Sonntag, den 25. Mai mit einer Filmmatinee im kommunalen Kino Cinema Quadrat. Gezeigt wird der künstlerische Dokumentarfilm "High Noon – Europa im Energierausch". "High Noon" handelt von Landschaftszerstörungen, dem drohenden Heimatverlust von Menschen und den Widerstandsbewegungen, die Folge der skrupellosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch internationale Energiekonzerne sind. Zu Wort kommen Aktivist*innen und Expert*innen aus Deutschland, Spanien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien, die sich für den Erhalt ihrer Landschaften, ihres Grundwassers und ihrer Lebensperspektiven an dem Fleck Erde engagieren, den sie als ihr Zuhause empfinden. Philosophische Texte zu Resonanz und sorbische Gedichte schaffen Fühlpausen im Film. Genauso wie die Performances der roten, gelben, weißen oder blauen Figuren in den Landschaften, die das Nachspüren der Zerstörung, aber auch der Hoffnung erlauben. Die Menschen im Film machen Mut und zeigen, dass, wenn eine bessere Zukunft möglich ist, dann nur gemeinsam.

Im Nachgespräch sind ein großer Teil des Filmteams und eine Protagonistin aus Serbien da.
Der 104-minütige investigative Film löst tiefe Betroffenheit und Nachdenklichkeit im Publikum aus. Aber auch Nachfragen, wie z. B. zum Finden und zum Vertrauen-Gewinnen der Gesprächspartner*innen, gerade auch in Serbien, wo der regionale Protest von den staatlichen Behörden kriminalisiert wird. "Von meinen Eltern habe ich nach dem Faschismus ein Bekenntnis zum "Nie wieder" verlangt. Muss ich heute angesichts der Auswüchse eines ungezügelten Kapitalismus nicht mein Gesellschaftsbild in Sinne eines anderen "Nie wieder" neu denken?", fragt eine Besucherin. "Aber was ist jetzt in der Energiewende der richtige Weg? Was soll ich meinem Neffen auf die Frage nach E-Autos denn raten?". Eine Besucherin fasst ihre Wahrnehmung des Films so zusammen: "Der Film hat für mich die ganze Zeit die Spannung in diesem komplexen Thema gehalten. Ich war von Anfang bis Ende gebannt dabei. Was mich erstaunt hat, ist die säkulare Einschätzung der Lausitzer Pfarrerin zu Beginn und dagegen das Glaubensbekenntnis des serbischen Tierarztes am Ende. Sehr berührend."

Zum Abschluss der dreitägigen Veranstaltungsreihe gibt es ein Essen mit allen Beteiligten. Die Atmosphäre einer besseren gemeinsamen Zukunft weht über der langen Essenstafel. Jetzt stehen die Vorbereitungen für Bottrop an. Dort findet an zwei Tagen am 6. und 7. Juni 2025 eine verkürzte Veranstaltungsreihe statt.
Buch & Regie: Annette Dorothea Weber, Montage & Motion Design: Jo Jacobs, Kamera: Arthur Bauer, Annette Dorothea Weber, Juan Sebastian Lopez Galeano, Carlos Molina Lloréns, Musik: Mike Rausch, Übersetzung: Biljana Kokanović



Die Veranstaltungsreihe fand in Kooperation mit dem COMMUNITYartCENTERmannheim und der Diakoniekirche Luther statt. Der Verein für Kunst und Demokratie wird von der Freudenberg Stiftung institutionell gefördert.

Download: Flyer Mannheim
Download: Flyer Bottrop