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19. Januar

Klimawandel am Horn von Afrika - die vergessene Krise

Am Horn von Afrika zeigen sich die Folgen der Klimakrise derzeit mehr als deutlich. Seit Monaten herrscht dort die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Vor allem Frauen und Kinder leiden. Doch in den westlichen Medien wird die Krise kaum thematisiert.
Die aktuelle Dürre am Horn von Afrika zeigt deutlich: Die Klimakrise ist keine Krise der Zukunft, sondern bereits heute ...weiterlesen
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19.01.2023

Klimawandel am Horn von Afrika - die vergessene Krise

Am Horn von Afrika zeigen sich die Folgen der Klimakrise derzeit mehr als deutlich. Seit Monaten herrscht dort die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Vor allem Frauen und Kinder leiden. Doch in den westlichen Medien wird die Krise kaum thematisiert.
Die aktuelle Dürre am Horn von Afrika zeigt deutlich: Die Klimakrise ist keine Krise der Zukunft, sondern bereits heute spürbar und lebensbedrohlich. Nach dem Ausfall der fünften Regenzeit hintereinander herrscht derzeit vor allem in den Ländern Somalia, Äthiopien und im Norden Kenias die längste und schwerste Dürre seit 40 Jahren, wie die Weltwetterorganisation der Vereinten Nationen (WMO) berichtet.

Neben den Folgen der Klimakrise wird die aktuelle Situation am Horn von Afrika durch lokale Konflikte, durch die globale Inflation und die Getreideknappheit verschärft – ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Vor dem Krieg bezog allein Somalia 90 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine. Zwar kommen auch jetzt noch wenige Hilfsschiffe an, doch das ist längst nicht genug. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) erreichten die Lebensmittelpreise im Jahr 2022 Rekordhöhen – mit gravierenden Folgen.

Mehrere Millionen von Menschen sind derzeit am Horn von Afrika von Hungersnot bedroht. Sie können aufgrund der Dürre kein Getreide anbauen, ihr Vieh stirbt. Die Wasserknappheit führt zu schlechteren sanitären Bedingungen. Ausbrüche von Cholera und Durchfall sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO auf dem Vormarsch. Immer mehr Menschen sind gezwungen, auf der Suche nach Wasser, Weideland, Gesundheitsversorgung ihre Heimat zu verlassen.

Doch in den westlichen Industrieländern wie Deutschland wird kaum von der historischen Dürre und der Hungersnot berichtet. Stattdessen blickt man derzeit sorgenvoll auf die schneefreien Skipisten in den Alpen – auch eine Folge des Klimawandels. Die langanhaltende Dürre im Osten Afrikas wird hingegen vergessen.

Unser Blick, gerade von der Politik und von Seiten der Medienschaffenden, muss dringend mehr in Richtung globaler Süden gelenkt werden. Denn die ärmsten Länder und Gemeinschaften der Welt zahlen bereits heute den Preis für eine Klimakrise, für die sie am wenigsten verantwortlich sind. Im Gegensatz zu den reichen westlichen Industriestaaten sind Länder wie Somalia nur für einen Bruchteil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Doch gerade diese Länder sind besonders von den Folgen der Klimakrise betroffen – aufgrund ihrer geographischen Lage, der Armut und Ungleichheit – heißt es auch im Weltklimabericht 2022. Oft fehlen den Menschen vor Ort Strukturen und Ressourcen, um sich vor Naturkatastrophen zu schützen.

Vor allem Frauen und Kinder sind dabei von den Folgen der Klimakrise am stärksten betroffen, wie auch die aktuelle Dürre in Ostafrika zeigt. Nach Schätzungen von UNICEF sind mehr als 20 Millionen Kinder am Horn von Afrika von schwerem Hunger, von Durst und Krankheiten bedroht. Die Zahl hat sich in nur fünf Monaten verdoppelt und wird weiter ansteigen, so die Schätzungen.

Kinderarbeit und Kinderheirat nehmen laut UNICEF durch die Klimakrise zu. Es hat sich bereits bei vergangenen Dürren im Südsudan und in Äthiopien gezeigt, dass immer mehr Mädchen etwa im Austausch gegen Vieh in die Ehe verkauft wurden. Der Grund: Ihre Familien geraten durch Klimakatastrophen zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten.

Auch die geschlechtsspezifische Gewalt nimmt mit voranschreitender Klimakrise zu. Dadurch, dass beispielsweise immer mehr Wasserstellen versiegen, müssen Frauen und Mädchen weitere Wege zum Wasserholen zurücklegen und werden so häufiger Opfer sexueller Übergriffe. Hinzu kommt die schlechte gesundheitliche Versorgung bei Naturkatastrophen. Die UN-Frauenorganisation UNFPA berichtet, dass allein in Kenia rund 134.000 schwangere oder stillende Frauen derzeit akut unterernährt und behandlungsbedürftig sind.

Fakt ist: Extreme Wetterereignisse, wie die Dürre am Horn von Afrika, werden mit jedem Zehntel Grad Erwärmung immer wahrscheinlicher und öfter auftreten. Aktuelle Prognosen deuten bereits auf eine sechste schlechte Regenzeit in Folge von März bis Mai in Ostafrika hin, wodurch noch mehr Frauen und Kinder gefährdet werden. Es ist eine Krise, die gerade in den westlichen Industriestaaten nicht weiter in der Politik und von Medienschaffenden vergessen werden darf. Gerade die reichen Industriestaaten des Globalen Nordens stehen mit ihren viel zu hohen CO2-Emissionen in der Verantwortung, mehr Klimaschutz umzusetzen, die Treibhausgase drastisch zu reduzieren.

Der Klimawandel ist eine globale Krise. Die Auswirkungen werden auch zunehmend in den westlichen Industriestaaten zu spüren sein. Dürren, Wasserknappheit, Überschwemmungen, Hitzestress, Stürme werden laut Weltklimarat immer weiter zunehmen – auch in Deutschland. Küstenregionen werden vom Meeresspiegelanstieg bedroht sein, das Wirtschaftswachstum wird sich global verringern. Die Weltbank errechnete in einer Studie aus dem Jahr 2018 zudem mit 140 Millionen klimabedingten Geflüchteten allein in Südasien, Subsahara-Afrika und Südamerika bis 2050. Die Dürre am Horn von Afrika ist also nur ein Bruchteil von dem, was noch global auf uns zukommen wird. Es ist Zeit, hinzusehen.


Elena Matera, freie Journalistin / Politik- und Biowissenschaftlerin