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14. Januar

CIVIS Medienkonferenz: Journalismus und Social Media

Soziale Medien bieten neue Möglichkeiten zur Mitsprache und Beteiligung, ebenso jedoch auch zur Verbreitung von Lügen, Hass und Hetze. Was bedeutet dies für den Journalismus, wo liegen Herausforderungen, wo Chancen und welche Aufgaben sind damit für
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14.01.2022

CIVIS Medienkonferenz: Journalismus und Social Media

Soziale Medien bieten neue Möglichkeiten zur Mitsprache und Beteiligung, ebenso jedoch auch zur Verbreitung von Lügen, Hass und Hetze. Was bedeutet dies für den Journalismus, wo liegen Herausforderungen, wo Chancen und welche Aufgaben sind damit für die Branche verbunden? Mit diesen Fragen befasste sich die diesjährige virtuelle CIVIS Medienkonferenz "Journalismus und Social Media: Betreibende oder Getriebene?" am 14. Januar 2022 unter Moderation von Nadia S. Zaboura. Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, hielt ein Grußwort und forderte Vielfalt in Gesellschaft wie Medien – und "klare Kante" gegen Hass im Netz.
Die Logiken der Plattformen drohen zunehmend auf den Journalismus überzugreifen. Eine immer stärkere Zielgruppen- anstatt Gemeinwohlorientierung führt zu medialen Blasen, die sich selbst bestätigen, oft schlägt Schnelligkeit fundierte Recherche. Beiträge werden subjektiver, Leser*innen überfliegen nur noch die Titel. Hass und Angriffe gegen Medien und Journalist*innen haben derart zugenommen, dass die Pressefreiheit in Deutschland 2021 nur noch als "zufriedenstellend" eingestuft wurde. Vor allem für die rechte Szene sind die sozialen Medien ein Biotop, sogenannte "Alternativmedien" fassen Fuß. Bereits hasserfüllten Menschen bieten soziale Medien ein Forum, gleichzeitig können sie selbst Treiber für Radikalisierung sein (Prof. Dr. Carsten Reinemann, Natascha Strobl, Nicole Diekmann).

Die Risiken und Gefahren der sozialen Medien für den Journalismus sind nicht neu und gerade seit der Corona-Krise relevanter denn je. Dennoch: "Soziale Medien sind nicht nur böse", sagt Prof. Dr. Carsten Reinemann (LMU). Nicht nur sind sie in Deutschland - anders als in anderen Ländern - bei weitem nicht die Haupt- oder einzige Nachrichtenquelle und werden in ihrer genuinen Wirkung oft überschätzt, sondern sie eröffnen auch zahlreiche Chancen für den Journalismus.

Soziale Medien als Chance

So bieten soziale Medien neue Möglichkeiten für die journalistische Recherche, indem Einblicke in unbekannte Milieus gewonnen und vernachlässigte Themen erschlossen werden können. Überall in der Welt, auch in Krisenregionen, können über die Plattformen Kontakte mit lokalen Informant*innen gepflegt und Dialog und Kommunikation mit den Nutzer*innen gestärkt werden (Prof. Dr. Carsten Reinemann, Hasnain Kazim, Nicole Diekmann, Carsten Fiedler, Sham Jaff). Für zuvor wenig sichtbare Menschen und Gruppen - man denke an #metoo oder Black Lives Matter - haben soziale Medien hohes emanzipatorisches und partizipatorisches Potenzial, und die Qualität des Journalismus kann gerade durch die sozialen Medien verbessert werden (Prof. Dr. Carsten Reinemann).

Eine besondere Chance und gleichzeitig große Herausforderung liegt im Community Management, also im Umgang mit den Kommentaren und Reaktionen der Nutzer*innen, zeigte die Abschlussdiskussion mit Nicole Diekmann (ZDF), Carsten Fiedler (Kölner Stadt-Anzeiger), Ellen Heinrichs (Deutsche Welle), Sham Jaff (Autorin/freie Journalistin) und Hasnain Kazim (Autor/freier Journalist).

Dabei geht es längst nicht nur darum, angemessen auf Hass und radikale Positionen zu reagieren, sondern - mit einer qualifizierten Moderation - vor allem die Chancen des Community Managements auszuschöpfen. Themen können in diesem Austausch von Redaktionen sowohl nach innen als auch nach außen getragen und neue Interaktionsformate mit den Nutzer*innen sowie nahbare Ansprachen gefunden werden (Nicole Diekmann). Auf diese Weise kann die sich weitende Kluft zwischen Medienschaffenden und Zielgruppen verringert und erreicht werden, dass sich möglichst alle Nutzer*innen wahrgenommen und in ihren Bedürfnissen verstanden fühlen (Ellen Heinrichs, Sham Jaff). Gleichzeitig müssen Grenzen gezogen werden: Nicht jede Meinung ist gleichberechtigt und Journalismus soll Demokratiefeind*innen kein Forum bieten (Hasnain Kazim).

Die Konferenz hat gezeigt: Durch soziale Medien hat sich der Journalismus in den vergangenen Jahren laufend stark verändert und wird sich weiterhin verändern, betont Ferdos Forudastan, Geschäftsführerin der CIVIS Medienstiftung, - vielleicht ja immer weiter in die Richtung eines "konstruktiven Journalismus", der sich durch Perspektivenreichtum auszeichnet, zu konstruktiven gesellschaftlichen Debatten beiträgt und durch eine empathische und zugleich allparteiliche Haltung Polarisierung entgegenwirkt (Ellen Heinrichs).



Die Freudenberg Stiftung gründete gemeinsam mit der ARD, vertreten durch den WDR, die CIVIS Medienstiftung und ist bis heute Gesellschafterin und Förderpartnerin.